Blick in die Forschung: Ablenkungsmanöver und Entwarnung
Im Februar 2007 führte eine wissenschaftliche Arbeit zu monatelangen reißerischen Meldungen: Lavendel- und Teebaumöl würden bei Jungs zu präpubertärem Wachstum der Brust (Gynäkomastie) führen (Henley & al 2007). Inzwischen ist gelegentlich zu lesen, dass dies eine Tatsache und bei allen männlichen Kindern Vorsicht mit ätherischen Ölen geboten sei.
Diese Beobachtung war jedoch an drei (3!!!) Jungs gemacht worden, einer war erst knapp 4,5 Jahre alt, der andere knapp 8 Jahre und ein Bub war 10 Jahre alt. Schon damals kam der Verdacht auf, dass sich entweder Wissenschaftler profilieren wollten oder dass wirtschaftliche Interessen hinter der unseriösen Berichterstattung stecken könnten.
Robert Tisserand, einer der anerkanntesten Aromatherapeuten weltweit und Autor des umfangreichsten Fachbuches „Essential Oil Safety“, schrieb 2014, zusammen mit der bekannten Bakterien- und Teebaumöl-Forscherin Christine Carson und mit Tony Larkman vom australischen Teebaumöl-Verband ATTIA, einen „Brief an den Herausgeber“ der renommierten Fachzeitschrift „Reproductive Toxicology“. Sie beklagen den Mangel an Beweisen für die Behauptung (Carson & al 2014).
Im März 2018 wurde das Thema nochmals aufgewärmt: Es wurde wieder auf die angebliche hormonartige Wirkung von Lavendelöl und Teebaumöl bzw. die relevanten Inhaltsstoffe dieser Öle hingewiesen. Es gäbe inzwischen eine wachsende Anzahl von Gynäkomastie-Fällen, in denen Kinder mit äußerlich angewendeten Teebaumöl- und Lavendelprodukten in Kontakt gekommen seien. Die Störung durch diese zwei angeblichen endokrinen Disruptoren [Hormonstörstoffe] ließ laut dieser Pressemeldung nach, wenn die Kosmetika oder frei verkäuflichen „Heilmittel“ eine Zeit lang nicht mehr angewendet wurden.
Doch die wissenschaftliche Studie dazu wurde vor den reißerischen Meldungen gar nicht veröffentlicht! Die Ergebnisse konnten also weder nachgelesen noch überprüft werden, sie waren nur den TeilnehmerInnen der Konferenz bekannt. Auch war nicht überprüfbar, ob irgendwelche Firmen oder Verbände diese Studie finanziell unterstützt hatten, was unter entsprechenden wissenschaftlichen Arbeiten angegeben werden muss. In der Pressemeldung war lediglich nachzulesen, dass das National Institute of Environmental Health Sciences (NIEHS) den Leiter der Studie (Kenneth Korach) unterstützt habe.
In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass 1,8-Cineol, Terpinen-4-ol, Limonen und α-Terpineol in Laborversuchen auf menschliche Krebszellen gegeben worden waren, um zu bestätigen, dass sie Veränderungen von Östrogenrezeptor- und Androgenrezeptor-Zielgenen verursachen können. Diese Riechstoffe, die sowohl in Lavendelöl als auch Teebaumöl vorkommen, zeigten östrogenartige Wirkungen auf erkranktem Gewebe. Die Moleküle gehen sozusagen in Konkurrenz zu den natürlichen Östrogenen, die auch im männlichen Organismus vorkommen, und blockieren zudem männliche Geschlechtshormone, die männliche Eigenschaften, den Verlauf der Pubertät und das Wachstum kontrollieren. Auch Riechmoleküle, die jeweils nur in einem der beiden ätherischen Öle vorkommen, wurden untersucht: Linalylacetat, Linalool, α-Terpine und γ-Terpine. Einige davon zeigten keinen Einfluss auf Geschlechtshormone.
Robert Tisserand schaltete sich auch dieses Mal ein und wies darauf hin, dass bei der ursprünglichen Arbeit von 2007 Kunststoffplatten verwendet worden waren (96-Well Plates), die Bisphenole und Phthalate enthalten. Brustkrebs-Zellkulturen (MCF-7) wurden auf diesen Platten mit ätherischen Ölen in Kontakt gebracht. Bisphenole und Phthalate sind – wie vorher erwähnt – bekannte endokrine Disruptoren und können somit zu dem zweifelhaften Ergebnis geführt haben. Die Weichmacher im Labormaterial wurden vermutlich durch die Verwendung von nicht oder wenig verdünnten ätherischen Ölen aus den Kunststoffmaterialien freigesetzt. So kam es zur behaupteten negativen Wirkung in den Zellkulturen – auch in den neueren Experimenten.
Der relativierende Satz in der Studie „Our society deems essential oils as safe” („Unser Verband stuft ätherische Öle als sicher ein.“) wurde in Pressemeldungen und sozialen Medien nicht erwähnt.
Inzwischen erschien eine Studie an 106 gesunden dänischen Jungen (2015), wodurch die alte Annahme, dass Gynäkomastie die Folge eines gestörten Verhältnisses zwischen Östrogenen und Testosteron sei, widerlegt wurde. Vielmehr zeigt diese Arbeit, dass IGF-1, ein insulinähnliches Hormon, bei diesem als extrem peinlich empfundenen Beschwerdebild eine wesentliche Rolle spielt.
Also nicht nur die heute übliche Belastung des Körpers mit östrogenartigen Substanzen ist am „Männerbusen“ schuld, sondern höchstwahrscheinlich auch eine stark kohlenhydratlastige Ernährung (Mieritz & al 2015). Eine mehr oder weniger ausgeprägte Gynäkomastie kann (je nach Quelle) bei bis zur Hälfte der heranwachsenden männlichen Kinder beobachtet werden, insbesondere bei solchen, die relativ jung relativ hochgewachsen sind. Sie entwickelt sich meist im Laufe der Pubertät zurück.
Dennoch ist es nie verkehrt, sich bei der Anwendung von ätherischen Ölen an die bewährten und sicheren Verdünnungsempfehlungen von unter 3 Prozent zu halten (siehe Seite xx > Dosierung). Zudem kann nicht oft genug gesagt werden: Verwenden Sie NATURKOSMETIK! Mittlerweile ist sie für jedermann und jederfrau erschwinglich in fast jedem Drogeriemarkt erhältlich. Für einen ausgeglichenen Hormonhaushalt, für gesündere Haut und für eine gesündere Welt.